Das wichtigste Gefühl, welches Kinder in der Familie suchen, ist GEBORGENHEIT. Ein Anker in all dem Chaos, welches auf einen jungen Menschen einwirkt, bildet die Familie. Sie sollte einem Ruhe, Gelassenheit und vor Allem Geborgenheit bieten! Daraus kann sich Stärke und ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln.
Meine frühe Kindheit war ganz gut, soweit ich mich daran erinnern kann. Ich hatte eine intakte Familie. Aber meine heile Familie bröckelte nach und nach immer mehr dahin, als meine Mutter oft für mehrere Wochen in Nervenheilanstalten oder Psychiatrien verfrachtet wurde. Sie war Schizophren oder Bipolar und hörte manchmal irgendwelche Stimmen. Die fürsorgliche Wärme einer Mutter blieb also aus.
Ich glaube, dass ich zu wenig mit dem Gefühl der GEBORGENHEIT in meiner Kindheit beschenkt wurde, was meinem Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl nicht gut getan hat.

Als ich 12 Jahre alt war, ließen sich meine Eltern scheiden. Die Kinder, ich, mein 1,5 Jahre älterer Bruder und meine 5 Jahre jüngere Schwester, blieben beim Vater. Dieser war tagsüber vollzeit Arbeiten, was mir tagsüber viel Freiraum einräumte. Ich konnte den ganzen Tag machen, was ich wollte, bis eben mein Vater wieder von der Arbeit heim kam. Und weil ich meine Freiheit tagsüber genießen wollte machte ich meine Hausaufgaben nachts von 22:00 bis 1:00 Uhr, wo ich ja eh zuhause sein musste.
Als ich noch ein Schüler war, versuchte mich mein Vater zu erziehen. Diese Erziehung sah so aus, dass ich gelegentlich den Arsch versohlt bekam, oft auch unverschuldet und unverdient. Immer dann, wenn ich etwas angestellt hatte oder eine schlechte Klassenarbeit geschrieben habe, bekam ich zwei Wochen Hausarrest. Alle zwei Wochen kam eine neue Hiobsbotschaft, das war genau mein Schnitt. Und so führte diese Regel dazu, dass ich fast zweieinhalb Jahre am Stück Hausarrest hatte.
Der Hausarrest sah allerdings so aus, dass ich immerhin noch meinen Hobbies nachgehen durfte. Und Hobbies hatte ich viele: DLRG, Jujutsu, Volleyball, Jujutsu, Tanzkurs, Handball. Das Jujutsu-Training fand in Waiblingen statt und ich wohnte 15 km entfernt in Winterbach. Diese Strecke fuhr ich meist mit dem Fahrrad. 15 km hin, Jujutsu trainieren, 15 km zurück. Ich war mal richtig sportlich…
Als ich einmal Sonntags ausschlafen wollte, ich war gerade 19 Jahre alt, weckte mich mein Vater um 7:00 Uhr mit den Worten „Wer spät ins Bett geht, der kann auch früh aufstehen!“ Mein Argument, dass ich ja auch Samstags zur Schule ginge und Sonntags der einzigste Tag sei, an dem ich ausschlafen könne, brachte meinen Vater vollends in Rage. Er ging auf mich los und schubste mich so stark, dass ich durch die Luft flog und mit meinem Kopf auf die Tischkante knallte, wodurch meine Nase gebrochen war und genäht werden musste, wegen einer Platzwunde.
Der Unfall war das Eine. Die Hilfeleistung danach das Andere. Ich habe noch eine 5 Jahre jüngere Schwester. Und ich weiß nicht, in wie weit mein Vater hier Angst um das Sorgerecht hatte. Jedenfalls wusste ich nach meinem Zusammenstoß mit der Tischkante, dass meine Nase gebrochen war. Mein Vater hingegen sagte, sie könne ja auch nur geprellt sein und dass die Platzwunde ja nun wirklich nicht so groß sei und ein Arztbesuch vielleicht gar nicht nötig sei. Hey, aber die Nase war gebrochen und die Wunde musste genäht werden. Ich wusste das. Und ich hatte recht.
Wenn Du als Kind realisierst, dass dein Vater in Notsituationen nicht auf Deiner Seite steht, dann ist das bitter.
Natürlich hat der behandelnde Arzt gefragt, wie das denn passiert ist. Und natürlich hab ich erzählt, dass ich mit dem Kopf gegen die Tischkante geknallt bin. Den Schubser verschwieg ich.
Einen Tag später bin ich ausgezogen.
Ich bin zu einem Schulfreund gezogen, wo ich sehr liebevoll aufgenommen wurde. Dort fühlte ich mich wohl und mein Neurodermitis wurde schnell besser und verschwand schließlich ganz. Ich zahlte dort keine Miete, brachte mich dafür so gut es ging in die Familie ein. Diese Familie war sehr Kinderreich und so gab es häufig Fahrdienste, für welche ich mich gerne bereit erklärte. Aber auch zu Renovierungsarbeiten rund ums Haus brachte ich mich ein. Hauswand streichen, Hühnerstall bauen, Balkon-Geländer erneuern, Türschwelle setzen, Moos vom Dach fegen und Dachrinne säubern usw. Ich durfte sogar Nachhilfe geben. Jedenfalls gab es immer etwas zu tun.