Gabelstapler/-in

Es gab Zeiten in meinem Leben, da war ich Arbeitssuchend. Das Arbeitsamt forderte von mir, dass ich mich fleißig bewerbe. Und ich wollte auch arbeiten, aber es schien so, als gäbe es einfach nicht die richtige Arbeitsstelle für mich. Ich hatte gerade meine Ausbildung zum Mediengestalter beendet und suchte jetzt auch in vielen anderen Bereichen nach einem Arbeitsplatz.

Beim Durchblättern des hiesigen Wochenblattes stolperte ich über eine Anzeige, die gleich meine Kreativität ansprach. Da wollte ich mich bewerben.

Viele Leute unterstellen mir, dass ich mich gar nicht ernsthaft beworben hätte. Doch das stimmt nicht. Ich habe es versucht! Ich habe für diese Bewerbung sogar Bewerbungskosten des Arbeitsamtes bezogen. Also ernsthafter kann eine Bewerbung schier nicht sein.

Hier folgt die Anzeige:

ANDY BAYER BRUCKWIESENWEG 5 73635 RUDERSBERG

Beutelsbacher Fruchtsaftkellerei GmbH
Personalwesen
Postfach 21 66
71370 Weinstadt

Bewerbung als Gabelstapler/-in

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit Ende Januar 2004 bin ich nun Mediengestalter für Digital- und Printmedien mit dem Schwerpunkt Mediendesign. Da diese Branche jedoch gnadenlos am Abkacken ist, schaue ich mich seit einiger Zeit auch in allen anderen Berufsfeldern um. So bin ich auf Ihre Anzeige im Wochenblatt gestoßen.

Die Beschreibung in Ihrer Anzeige passt auf mich, wie die Faust aufs Auge: ich besitze den Auto- und Motorradführerschein, habe gute EDV-Kenntnisse und spreche neben Deutsch sogar auch Englisch recht gut.

Leider habe ich noch nie als Gabelstapler gearbeitet, weswegen ich etwas unsicher bin, da Sie schreiben „Berufserfahrung ist von Vorteil!“. Aber ich habe jetzt schon seit einigen Tagen zuhause als Gabelstapler geübt, indem ich meine Arme steif nach vorne strecke und dabei brumme, um das Motorengeräusch nachzuahmen. So laufe ich dann stundenlang durch die Wohnung.

Mein Nachbar hat deswegen extra geklingelt und gefragt, ob alles in Ordnung sei. Ich hab ihm dies bestimmt fünf Mal versichert, aber ich glaube, er blieb trotzdem irgendwie skeptisch. Deswegen habe ich ihn dann eingeweiht, dass ich als Gabelstapler bei Ihnen anfangen möchte und ihm Ihre Anzeige gezeigt, worauf er auch zu üben anfing.

Als später bei mir zwei Herren mit einer weißen, langärmeligen Jacke in der Hand vor der Türe standen und einen Verrückten suchten, deutete ich auf meinen Nachbar, welcher just in diesem Moment mit ausgestreckten Armen am Fenster zu sehen war. Diesen überredeten sie, die etwas große Jacke anzuprobieren.

Ich erinnere mich noch an den Ausruf meines Nachbarn, bevor sie wegfuhren „Ich bin nicht verrückt!“, was zweifellos auch auf mich zutrifft.

Über eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch würde ich mich sehr freuen und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Andy Bayer


Zu einem Arbeitsverhältnis führte meine Bewerbung leider nicht. Ich wurde auch nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Es gab noch nicht einmal eine Absage. Die Bewerbung wurde einfach absorbiert.