Pürierstabzuzahlung

Vor langer Zeit kam man mal auf die Idee, eine Praxisgebühr in Höhe von 10,- Euro einzuführen. Hintergedanke war dabei, dass man eine Hürde schaffen wollte, dass die Bürger nicht wegen jedem Scheiß zum Arzt rennen. Heute ist diese Gebühr schon wieder völlig aus dem Bewusstsein verschwunden, damals war dies für mich das Ende des Sozialsystems wie wir es kannten. Es war eine Ausgrenzung aller armen Menschen, die nicht mit 10,- Euro Scheinen um sich werfen konnten.

Der erste Satz enthält eine Anspielung auf diese Praxisgebühr.

ANDY BAYER   WILDENBRUCHSTRASSE 42   12435 BERLIN

BARMER Ersatzkasse

Axel-Springer-Str. 50
10969 Berlin

20.01.2004

Pürierstabzuzahlung

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit der Gesundheitsreform und dem GMG (Gesundheitsmodernisierungsgesetz) ist auch mir klar, dass ich nur dann zum Arzt gehen kann, wenn ich gerade etwas Geld im Sack habe. Leider ist dieser Zustand bei mir nicht immer so. Womit ich sagen möchte: Liquide bin ich nur selten!

Mein Gesundheitsbewusstsein hat sich deswegen radikal verändert:

Um meine Zähne zu schonen verzichte ich auf Zahn-beanspruchende Kost, wie Kokosnüsse, getoastetes Toast-Brot und Karotten. Stattdessen esse ich zum Frühstück Nutella und Toastbrot. Allerdings mische ich dazu das ungetoastete Toastbrot zerkleinert unter das erwärmte Nutella und trinke dies mit einem Strohhalm, da es so schön flüssig ist. So umgehe ich den Kontakt zwischen Zähnen und Nahrung.

Wegen möglicher Keime und Bakterien spüle ich meinen Mund nach jeder Mahlzeit mit purem Vodka. Zuhause, nach dem Frühstück, spuckte ich diese Mundspülung anfangs natürlich aus. Aber in einem Restaurant oder Imbiss geht dies natürlich nicht.

Um auch unterwegs in der Lage sein zu können, auf meine Gesundheit zu achten, habe ich mir ein Akku-Püriergerät gekauft. So kann ich auch im Restaurant wie gewöhnlich meinen Salat ordern. Naja, ich muss eben immer noch ein Glas Wasser dazu bestellen und einen tiefen Teller verlangen. Aber ist der Salat erst püriert, lässt er sich wunderbar mit einem Strohhalm trinken. Meine Zähne werden so geschont.

Freilich, am Anfang ist das schon eine Überwindung. Aber an die kritischen Blicke vom Nachbartisch gewöhnt man sich schnell. Und um dem Kellner nicht immer lange Erklärungen abgeben zu müssen, deute ich nur immer auf meine Backe und sage dann „Wurzelbehandlung“. Damit erledigt sich deren Getue meist.

Bei der Pizza neulich ist allerdings mein Püriergerät verstummt. Dabei bin ich mir nicht sicher, ob die Belastung einfach insgesamt zu stark war, oder ob der Olivenkern mit meiner kleinen Häckselmaschine eine ungünstige Symbiose eingegangen ist.

Mein vorheriges Akku-Püriergerät ist an einem Halben Hähnchen verstummt. Und da es nicht die Schuld der leeren Batterien war, nehme ich an, dass der Schenkelknochen des blöden Vieches zugeschlagen hat und dadurch das Püriergerät an einer Überbelastung verendet ist.

Weil ich mir jetzt schon wieder ein Akku-Püriergerät kaufen muss, wollte ich fragen, ob es von der Krankenkasse dafür eine Zuzahlung gibt. Schließlich werden meine Zahnarztbesuche deswegen erheblich günstiger.

Ebenso wollte ich nachfragen, ob ich für meine ethanolhaltige Mundspülung mit der Bezeichnung „Vodka“ von der Krankenkasse mit einem Zuschuss rechnen kann. Denn mittlerweile spucke ich nach dem Frühstück diese Ethanollösung nur dann aus, wenn ich davor zum Nutella-Toastbrot-Frühstück ein Bier hatte. Bier vertrage ich nämlich durch den Strohhalm nicht so gut. Und wer möchte schon ständig besoffen sein?

Jedenfalls ist mein Vodkaverbrauch erheblich angestiegen.
Einen kleinen Moment, bitte. Ich gehe mir mal kurz die Zähne reinigen…

Damit schließe ich meine Predigt mit der Hoffnung, von Ihnen eine Zuzahlung für meinen Akku-Pürierstab und für meine ethanolhaltige Mundspülung zu bekommen.

Mit freundlichen Grüßen

Andy Bayer

Komisch: bis heute hat die BARMER Ersatzkasse nicht auf dieses Schreiben reagiert…