Psychologen

They wanna make me go to rehab, i say NO NO NO – Amy Winehouse

Ende 2022 musste ich in Reha nach Bad Herrenalb in eine psychosomatische Fachklinik. Die Rentenversicherung lud mich dazu ein. Es war wegen meiner Depression, ich war schon einige Monate (ja, es waren fast 2 Jahre) krank geschrieben und deswegen forderte die Rentenversicherung die Überprüfung meines Zustandes ein.

In der Klinik fiel mir natürlich sofort eine Ungleichbehandlung auf: die Ungeimpften mussten sich täglich auf Corona testen lassen, die Geimpften nur jeden 2. Tag. Dies sprach ich natürlich bei einer Vollversammlung an, wo man sich die Klinikleitung vorknüpfen konnte. Ich sagte nicht „Ihr Diskriminiert!“, obwohl ich damit recht gehabt hätte. Nein, ich fragte ganz sanft, ob das nicht eine Diskriminierung sei, wenn die Ungeimpften anders behandelt werden, als die Geimpften.

Die Chefärzte waren über diesen Vorwurf empört und erklärten mir, dass das keinesfalls eine Diskriminierung sei, da die Ungeimpften ja viel ansteckender seien. Außerdem seien dies die Vorgaben des Landes, an die man sich zu halten habe.

Wenn scheinbar intelligente Menschen etwas saudummes sagen, dann verschlägt es mir schon mal die Sprache. Ich habe dann Gedanken, wie „Das hat er jetzt nicht wirklich gesagt! Oder?“ und „Wieso fällt einem angeblich klugen Menschen so etwas simples, wie eine Ungleichbehandlung, nicht auf?“

Weil der Kampf gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung ganz weit oben auf meiner Dringlichkeitsliste steht, musste ich nach meiner Reha diesen Kampf fortsetzen. Und so schrieb ich noch eine e-Mail mit folgendem Inhalt:

An den Chef der Fachklinik

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich habs ja bei der Vollversammlung angesprochen, ob es nicht Diskriminierung sei, wenn man Ungeimpfte ungleich den Geimpften behandelt, was das tägliche Testen angeht, und ich bleibe dabei: es ist Diskriminierung!

Ein gesunder Ungeimpfter ist genauso wenig ansteckend, wie ein gesunder Geimpfter. Und ein an Corona erkrankter Ungeimpfter ist genauso ansteckend, wie ein an Corona erkrankter Geimpfter.

Sie sehen also, dass eine Ungleichbehandlung unberechtigt ist, auch wenn sich der Staat gerne eine Ungleichbehandlung wünscht.

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.

Mit freundlichen Grüßen

Andy Bayer

Meine Recherchen ergaben, dass sie mich dort nicht verstehen wollten. Deswegen schrieb ich noch eine weitere e-Mail mit ähnlichem Inhalt.

Ich verstehe nicht, wie scheinbar intelligente Menschen so dumm sein können, dass sie Diskriminierung nicht erkennen. Es ist krass, in welchem System sie gefangen sind. Es fehlt ihnen einfach der Blick aus der Totalen.

Apropos Blick: Dumm drein geschaut habe ich auch, als ich meinen Entlass-Brief bekommen habe. Ich wusste natürlich, dass ich eine Depression habe und habe auch erwartet, dass dies den dortigen Psychologen aufgefallen ist. Ich kann Sie beruhigen, das ist es auch. Doch den dortigen Psychologen ist noch viel viel mehr aufgefallen:

Diagnosen:

  • Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert (F33.4G)
  • Bipolare affektive Störung, gegenwärtig hypomanische Episode (F31.0V)
  • Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F90.1V)
  • Asperger-Syndrom (F84.5V)
  • Kombinierte Akzentuierung von Persönlichkeitszügen mit zwanghaften und schizoiden Anteilen, DD Persönlichkeitsstörung (Z73)
  • Gemischte Hyperlipidämie (E78.2)

Man hat mich psychisch DEMONTIERT. Scheinbar war ich ein psychisches Wrack und ich hab das gar nicht gewußt.

Nach dieser Diagnose war mein Ego mehr als nur leicht angeknackst. Wie konnte es sein, dass ich dermaßen neben der Spur war? Ich erinnerte mich an ein Lied von Fettes Brot mit dem Refrain „Ich geh nicht zum Arzt!“. Vielleicht ist das ein wirklich guter Ratschlag.

Ein Glück gab es einige Freunde, die mir sagten, dass sie nicht den Eindruck hätten, dass diese Diagnosen so auf mich zuträfen. Ein anderer guter Kumpel klopfte mir sogar auf die Schulter und sagte, dass diese Diagnosen auch alle auf ihn zutreffen würden. Er sei oft ein bisschen so und dann auch so. Das war sehr wohltuend!

Doch trotz dieser niederschmätternden Diagnose war ich laut Klinik „uneingeschränkt arbeitsfähig“. Also wenn sie mich schon zum geistigen Krüppel machen, dann sollten sie mir auch zugestehen, dass ich nicht einsatzfähig bin.

Jedenfalls versuche ich aus jedem Schicksalsschlag auch etwas positives herauszuziehen. Für mich war es die Gestaltung eines neuen T-Shirts.

FOU ist französisch und bedeutet VERRÜCKT. FOU FOU ist die französische Bezeichnung für GEISTESKRANKER IRRER.

Ich fand es ziemlich cool und witzig, die schlimmste Bezeichnung dick auf dem T-Shirt stehen zu haben, wo andere gerne ihren Stolz oder ihren Status kund tun (BOSS).


Falls Sie mit den Begrifflichkeiten aus der Diagnose nichts anfangen konnten, folgt hier noch eine Erklärung:

„Rezidivierende depressive Störung gegenwärtig remittiert“

beschrieb meine Depression. Mit dieser Diagnose konnte ich mich anfreunden.

Eine rezidivierende depressive Störung liegt dann vor, wenn eine Depression kein einmaliges Ereignis ist, sondern wiederholt vorkommt. remittierend bedeutet vorübergehend nachlassend.

„Bipolare affektive Störung gegenwärtig hypomanische Episode“

Menschen mit bipolar-affektiver Erkrankung schwanken zwischen Phasen von trauriger und gedrückter Stimmung und Zeiten abnorm gehobener oder gereizter Stimmung mit Antriebssteigerung, was als Manie bezeichnet wird. Zwischen diesen Phasen sind Betroffene vollkommen gesund.

Wir alle haben Hochs und Tiefs, also Phasen, wo wir eher fröhlich und glücklich sind und Phasen, in denen wir eher traurig und depressiv sind. Wann wird aus einer Stimmungsschwankung eine Erkrankung? Das ist die Frage!

Eine hypomanische Episode ist der Zustand einer weniger stark ausgeprägter Manie mit den bereits aufgezeigten stark abgeschwächten Symptomen. So ist der Betroffene beispielsweise, im Gegensatz zu einer manischen Episode, noch in der Lage die Realität und persönliche Situation zu erfassen und damit Fehleinschätzungen vorzubeugen.

Kurz gesagt: Wenn man einen Gesunden in einen Kranken verwandeln will, aber die psychischen Argumente nicht ausreichen, dann redet man einfach von einer hypomanischen Episode.

Die Symptome der „hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens“

  • Fehlender Fokus: Solche Menschen leiden unter mangelnder Aufmerksamkeit.
  • Hohe Impulsivität: Alles muss immer sofort geschehen. Ungeduld.
  • Mangelnde Kontrolle: Läuft etwas nicht wie gewünscht, sind Wutausbrüche und aggressives Verhalten die Folge. Auch Ungeduld.
  • Starke Unruhe: Solche Menschen sind oft rastlos und benötigen permanente Beschäftigung. Wieder Ungeduld.
  • Unangepasstes Verhalten. Das ist doch die Verknüpfung von mangelnder Aufmerksamkeit und Ungeduld.

Also runtergebrochen entsteht eine hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens aus mangelnder Aufmerksamkeit und Ungeduld. Wobei Ungeduld sich negativ anhört. Man könnte Ungeduld auch mit dem Wort Tatendrang ersetzen.

In meiner Kindheit nannte man das ungeduldig und jähzornig

Das „Asperger-Syndrom“ ist eine nach dem Kinderarzt Hans Asperger benannte Variante des Autismus. Es wird zu den Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung gezählt.

Merkmale sind Besonderheiten und Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie Unterschiede bei der Wahrnehmung und Reizverarbeitung (dazu gehören insbesondere sensorische Über- und Unterempfindlichkeiten und Schwierigkeiten bei der Reizfilterung) sowie häufig außergewöhnliche Interessen und Begabungen.

Ich bin nicht besonders. Ich erkenne nur in Zirruswolken öfters mal Chemtrails und kann darüber aber mit niemandem sprechen, weil den Mitmenschen oft der Blick dafür fehlt. Deswegen schweige ich oft. Ist das nun eine Störung oder eher Weise? Ich weiß es nicht…

„Kombinierte Akzentuierung von Persönlichkeitszügen mit zwanghaften und schizoiden Anteilen (Persönlichkeitsstörung)“

Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung oder anankastische Persönlichkeitsstörung, auch Zwangspersönlichkeitsstörung, gehört zur Gruppe der Persönlichkeitsstörungen (Cluster C). Typisch für sie sind Rigidität, Perfektionismus, ständige Kontrolle, Gefühle von Zweifel sowie ängstliche Vorsicht keine Fehler zu machen.

Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist eine von der Zwangsstörung völlig verschiedene psychische Störung – trotz mancher Ähnlichkeiten in der sichtbaren Symptomatik. Die Häufigkeit in der Gesamtbevölkerung wird auf etwa 1 % geschätzt.

Schizoid bedeutet Rückzug bei gefühlsbetonten und zwischenmenschlichen Kontakten und eine Tendenz zum Einzelgänger.

Natürlich bin ich Perfektionist. Wenn ich etwas mache, dann möchte ich es möglichst gut machen. Und natürlich habe ich Zweifel. Ich stelle meine Gedanken gerne in Frage und überprüfe so, ob ich noch richtig Ticke. Und weil ich Dinge sehe, die keiner hier sieht und Gedanken höre, was mich jäh verzieht, habe ich oft keine Wahl, als mich zurückzuziehen.

Eine Tendenz zum Einzelgänger? Fuck: ich bin ein Einzelgänger! Ich marschiere ungern in irgend einer Gruppe mit. Ich ecke gerne an. chronischer Anti-Mitläufer eben…

Bitte vergesst nicht: Gesunde in Kranke


Ich vertrete ja die Meinung „Wer auf dieser Welt nicht verrückt wird, der ist doch nicht ganz normal!“ und sehe eigentlich in allen Menschen erst mal verrückte Individuen, der Eine mehr, der Andere weniger. Alle sind wir verrückt. Trotzdem bekommt man es nicht gerne gesagt.

Und ja, auch Psychologen sind nur Menschen und könnten sich ja auch mal irren. Aber das sagen sicher alle, die mit ihrer Diagnose unzufrieden sind.

Früher dacht ich „Wer eine Depression hat, der ist doch nicht ganz normal!“ Heute denke ich „Wer keine Depression hat, der ist nicht ganz normal!“


„Sieh zu, dass Du Mensch bleibst.
Menschlich sein ist die Hauptsache.
Das heißt fest und klar und heiter sein
ja heiter
trotz alledem.“

Rosa Luxemburg